Samstag, 9. Dezember 2017

Zu meinen Linoldrucken













Zu meinen Linoldrucken


Der Linolschnitt führt vielfach eine Art Aschenputtel-Dasein, was sicher damit zu tun hat, dass die Allermeisten in ihrer Schulzeit damit regelrecht gequält worden sind: Man lernte also eine druckgrafische Technik, wobei man mitunter nicht nur ins Linoleum schnitt, sondern auch in die eigenen Finger, die in der Linolschnitt-Phase des Kunstunterrichts folglich ständig verpflastert waren. Und das Ergebnis mutete meist ziemlich bescheiden an; es wurde überdies begleitet von der Frage, warum man eigentlich eine reproduzierende Technik erlernt, wenn man doch gar keine größere Stückzahl/ Auflage braucht – und die fotografischen, digitalen Möglichkeiten viel virtuoser einsetzbar waren und sind. Dass der Linolschnitt eine ganz eigen(artig)e Ästhetik hat oder erzielt, erkannten wir in der Schule nicht; dazu war zu wenig Zeit. Denn als wir gerade mal die Schneidetechnik beherrschten und uns um Details hätten kümmern können, kamen die Ferien oder eine neue künstlerische Disziplin.

Meinen ersten Holzschnitt (der ja mit dem Linolschnitt nah verwandt ist) machte ich 1984. Eher aus Trotz, wie ich heute zugeben muss; denn en vogue war gerade die Radierung, die mich zwar faszinierte, die mir andererseits aber ziemlich ausgeschöpft schien. Daher suchte ich als experimentierfreudige Studentin nach anderen Wegen. Und ich besann mich auf die Wurzeln der Druckgrafik, auf das älteste druckgrafische Verfahren. Mich begeisterte sowohl die Ursprünglichkeit des Holzschnitts als auch seine künstlerische Vielfalt. Linie – Fläche – Struktur, alles war gleichberechtigt innerhalb einer einzigen Arbeitstechnik möglich.
Die Frage nach der Notwendigkeit bzw. der Nicht-Notwendigkeit, Auflagen zu drucken, stellte sich allerdings nach wie vor. Zwar war es etwas Schönes, ein handgedrucktes Buch in der Hand zu halten, doch der Begriff Anachronismus drängte sich dabei auf. Meine Konsequenz war, dass ich über längere Zeit mit Holzschnitt-Collagen arbeitete, um Unikate zu schaffen, ohne auf die ästhetischen Möglichkeiten des Holzschnitts verzichten zu müssen. Diese Collagen kombinierte ich meistens mit Malerei.

Während meiner Unterrichtstätigkeit an einer der Hochdruck-Werkstätten an der Universität Wuppertal (1989 – 2011) experimentierten wir sehr viel mit unterschiedlichen Bedruckstoffen, wir druckten auf die verschiedensten Papiere und Pappen, auf Textilien, Kunststoffe, Blattgold, Malgründe und Fotografien.

Währenddessen ergaben sich auch für meine eigene künstlerische Tätigkeit neue Experimentierfelder: Ich wechselte vom Pressendruck zum Handdruck, von Offset-Druckfarben zu Acryl- und Ölfarben, vom Holz zum Linoleum – weil sich die Druckstöcke aus diesem dünneren und weicheren Material für meine Zwecke besser eigneten. In Anlehnung an den Zeugdruck, lange vor der Verbreitung der Papierherstellung – mit dem also Textilien bestempelt wurden –, bedruckte ich Leinwände. Mit kleinen geschnittenen Stempeln fügte ich Struktur-Flächen zusammen, deren Variationsbreite durch die Wahl der Druckfarbe vergrößert wurde: Ölfarbe ergibt ein anderes Druckbild als Acrylfarbe, und diese wiederum reagiert unterschiedlich, je nachdem, ob sie verdünnt ist oder nicht, ob sie Beimischungen von Gips oder transparentem Binder enthält. Dadurch, dass die Drucke unter- und übermalt werden können, ergeben sich noch unendliche Möglichkeiten mehr, und in der Schaffung von solchen Variationen sah ich dann endlich die Plausibilität des Reproduktiven, die ich so lange vermisst hatte. Variationen in Entsprechung zur Natur. 


(handschriftliche Aufzeichnung, um 2010)






Linoldrucke in der Ausstellung "Farbiges Grau" in der Galerie Mönter, Meerbusch-Osterath, 2010

(Skulpturen: Gisela Bretz)





















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